Die Arbeit mit Gleichnissen Jesu ist eine zentrale Methode im Religionsunterricht. Gleichnisse fordern zur eigenständigen Deutung heraus, regen zum Vergleich mit Lebenswirklichkeit an und eröffnen Zugang zu den Kerninhalten des christlichen Glaubens – wie Vergebung, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit oder Reich Gottes.
Für angehende Lehrkräfte stellt die Bibelarbeit mit Gleichnissen eine didaktisch reichhaltige und methodisch vielseitige Möglichkeit dar, Schüler:innen zum verstehenden, kreativen und reflektierten Umgang mit biblischen Texten anzuleiten.
1. Zielsetzung und Kompetenzen
Die Arbeit mit Gleichnissen fördert:
- Bibelkompetenz: narrative und symbolische Sprache der Bibel verstehen
- Deutungskompetenz: Mehrdeutigkeiten aushalten und eigene Deutungen entwickeln
- Lebensweltbezug: existenzielle Fragen mit biblischen Perspektiven in Beziehung setzen
- Symbolkompetenz: metaphorische Rede entschlüsseln und reflektieren
- Kommunikationskompetenz: über Glaube, Gerechtigkeit und Werte ins Gespräch kommen
- Reflexionsfähigkeit: eigene Einstellungen prüfen und neue Sichtweisen entwickeln
2. Didaktischer Mehrwert im Religionsunterricht
Die Methode eignet sich besonders, wenn:
- Themen wie Vergebung, Nächstenliebe, Umkehr, Gerechtigkeit oder Barmherzigkeit behandelt werden
- Schüler:innen selbstständig und subjektorientiert mit biblischen Texten arbeiten sollen
- religiöse Sprache zugänglich gemacht werden soll
- ein Raum für mehrperspektivisches und offenes Deuten geschaffen werden soll
- Vergleich von biblischer Botschaft und heutiger Lebensrealität im Fokus steht
3. Methodischer Ablauf
a) Auswahl des Gleichnisses
Geeignete Gleichnisse sind z. B.:
- Der barmherzige Samariter (Lk 10,25–37)
- Der verlorene Sohn (Lk 15,11–32)
- Das Gleichnis vom Sämann (Mk 4,1–20)
- Die Arbeiter im Weinberg (Mt 20,1–16)
- Der Pharisäer und der Zöllner (Lk 18,9–14)
Die Auswahl erfolgt thematisch passend zur Lebenswelt und Jahrgangsstufe.
b) Erschließung des Textes
Der Text wird gemeinsam gelesen oder erzählt. Mögliche Methoden:
- Standbild oder Rollenspiel zur Darstellung der Szene
- Szenisches Lesen mit Rollenverteilung
- Erste Reaktionen sammeln: Was ist auffällig, irritierend, berührend?
c) Strukturierende Analyse
- Wer kommt vor?
- Welche Handlung, welcher Wendepunkt, welche Pointe?
- Was könnte das Gleichnis „sagen wollen“?
- Was ist die Bedeutung der Bilder/Symbole?
Hilfreich: Arbeitsblätter mit Leitfragen oder Visualisierung in Form von Mindmaps
d) Deutung und Übertragung
- Welche Botschaft erkenne ich darin für mein Leben / unsere Zeit?
- Wo fordert das Gleichnis zum Umdenken oder Handeln heraus?
- Welche christlichen Werte oder Gottesbilder stecken im Gleichnis?
Anschlussmöglichkeiten:
- Stellungnahme, Brief aus einer Perspektive, Tagebucheintrag
- Kreative Aufgabe (Comic, Bild, Collage, Predigtentwurf)
4. Praktische Hinweise zur Umsetzung
- Gleichnistexte bewusst auswählen: altersgerecht, sprachlich zugänglich, thematisch relevant
- Raum für eigene Deutungen schaffen – nicht vorschnell „auflösen“
- Mehrdeutigkeit aushalten und diskutieren lassen
- Verbindung mit Methodenvielfalt: Bibliolog, Bildbetrachtung, Musik, Film, Kreativarbeit
- Lebensweltliche Brücken bauen: Wo tauchen ähnliche Situationen heute auf?
- Begegnung mit Kunst oder Literatur: z. B. Gleichnisse in Bildern oder Gedichten
5. Mögliche Themenfelder im Religionsunterricht
| Thema | Passende Gleichnisse |
|---|---|
| Barmherzigkeit & Nächstenliebe | Barmherziger Samariter, Verlorener Sohn |
| Umkehr & Vergebung | Verlorenes Schaf, Unbarmherziger Schuldner |
| Gerechtigkeit & Lohn | Arbeiter im Weinberg, Pharisäer und Zöllner |
| Verantwortung | Gleichnis von den Talenten, kluge und törichte Jungfrauen |
| Glauben & Zweifel | Sämann, Senfkorn, Schatz im Acker |
| Reich Gottes | Feier im Himmel, Sauerteig, Netz voller Fische |
6. Fazit
Die Bibelarbeit mit Gleichnissen eröffnet im Religionsunterricht einen dialogischen, lebendigen und deutungsoffenen Zugang zur biblischen Botschaft. Sie fordert Schüler:innen heraus, selbst Deutende zu werden, sich mit religiösen Inhalten aktiv auseinanderzusetzen und diese mit ihrer Lebenswirklichkeit zu verknüpfen. Für angehende Lehrkräfte bietet sie eine zugängliche, aber tiefgründige Methode, um religiöse Bildung zwischen Bibel und Gegenwart aktiv zu gestalten – mit hoher Schüler:innenbeteiligung und großem didaktischem Potenzial.


