Die Methode „Briefe verfassen“ nutzt das Schreiben als reflexives, emotionales und dialogisches Instrument, um sich mit religiösen, ethischen oder existenziellen Inhalten auseinanderzusetzen. Der Brief als persönliche Ausdrucksform ermöglicht es den Lernenden, Gedanken, Fragen, Zweifel, Bitten oder Botschaften an eine andere Person – real oder fiktiv – zu richten. Im Religionsunterricht wird dadurch ein Raum geschaffen, in dem Glaubens- und Lebensthemen persönlich durchdrungen und in Sprache gebracht werden können.
Für Lehrkräfte in Ausbildung stellt das Briefeschreiben eine intensiv reflektierende, identitätsfördernde und zugleich kreative Methode dar, die sich vielseitig in verschiedenen Kontexten einsetzen lässt.
1. Zielsetzung und Kompetenzen
Die Methode fördert:
- Selbstreflexion und Persönlichkeitsentwicklung
- Deutungs- und Ausdruckskompetenz bei der Auseinandersetzung mit religiösen Inhalten
- Empathie und Perspektivwechsel, z. B. beim Schreiben aus Sicht biblischer Figuren
- Glaubensreflexion: persönliche Beziehung zu Gott, Fragen des Glaubens und Zweifel
- Urteilsbildung: Stellungnahme zu ethischen Herausforderungen
- Kommunikative Kompetenz durch klaren, adressatengerechten Ausdruck
2. Didaktischer Mehrwert im Religionsunterricht
Die Methode eignet sich besonders, wenn:
- Schüler:innen emotional und persönlich auf Themen reagieren sollen
- religiöse oder biblische Texte dialogisch verarbeitet werden sollen
- eine individuelle Auseinandersetzung mit spirituellen Fragen ermöglicht werden soll
- ein niedrigschwelliger Zugang zur Sprache des Glaubens gesucht wird
- Empathie, Perspektivwechsel und Wertreflexion gefördert werden sollen
3. Methodischer Ablauf
a) Einführung und Impuls
- Thematische Rahmung: z. B. „Was würde ich Gott schreiben?“, „Was sage ich Maria nach der Verkündigung?“, „Ein Brief an meinen inneren Zweifel“
- Mögliche Impulsgeber: Bibeltexte, Bilder, Lieder, Zitate, Erfahrungen
b) Schreibanlass konkretisieren
Adressaten könnten sein:
- Gott, Jesus, Heiliger Geist
- Biblische Figuren (z. B. Mose, Petrus, Maria, der verlorene Sohn)
- Zeitgenössische Vorbilder, Verstorbene oder künftiges Ich
- Eine fiktive Person in einer ethischen Entscheidungssituation
- Die eigene Gemeinde, Kirche, Welt
Mögliche Formen:
- Bittbrief
- Dankbrief
- Antwortbrief auf einen Bibeltext
- Konfrontations- oder Versöhnungsbrief
- Tagebuchartiger innerer Brief
c) Schreiben und Gestalten
- Freiraum in Sprache und Stil (persönlich, poetisch, erzählend, sachlich)
- Optional: kreative Gestaltung des Briefumschlags, Verbindung mit Bild oder Symbol
d) Austausch und Reflexion
- Freiwilliges Vorlesen im Plenum oder Zweiergespräch
- Reflexionsimpulse:
- Was hat mir das Schreiben ermöglicht?
- Was wurde mir beim Schreiben klar(er)?
- Wie fühlt sich dieser Brief an?
- Mögliche Weiterarbeit: Integration in ein Gebet, symbolische Übergabe, Brief an sich selbst archivieren
4. Praktische Hinweise zur Umsetzung
- Sensibler Umgang mit persönlichem Inhalt: Freiwilligkeit und Schutz der Privatsphäre respektieren
- Atmosphäre der Offenheit und Stille schaffen – ggf. mit Musik oder Ritualrahmung
- Klare Impulse und offene Formulierungsangebote geben, aber keine Mustertexte vorgeben
- Geeignete Materialien bereitstellen: Briefpapier, Umschläge, ggf. Gestaltungsmaterial
- Ergebnisoffenheit und Wertschätzung wichtiger als orthografische oder stilistische Korrektheit
- Möglichkeit zur Kombination mit anderen Methoden: z. B. Bibliolog, Rollenspiel, Standbild, Bildbetrachtung
5. Mögliche Themenfelder im Religionsunterricht
| Thema | Briefanlässe |
|---|---|
| Biblische Geschichten | Brief an eine Figur der Geschichte (z. B. Abraham, Maria, Jona) |
| Gottesbeziehung | Brief an Gott: Dank, Klage, Bitte, Zweifel |
| Schuld und Vergebung | Brief an eine Person, die verletzt wurde – oder an sich selbst |
| Tod und Trauer | Abschiedsbrief, Brief an Verstorbene oder an das eigene „Ich“ |
| Hoffnung und Glaube | Brief in einer Krise – was gibt Halt? |
| Kirche und Welt | Brief an die Kirche, an die Menschheit, an die Zukunft |
| Identität & Berufung | Brief an mein zukünftiges Ich oder an mein inneres Kind |
6. Fazit
Die Methode „Briefe verfassen“ ist eine sprachlich-kreative und zugleich tief reflektierende Methode, mit der im Religionsunterricht Themen aus Glauben, Leben und Ethik persönlich verarbeitet und dialogisch erschlossen werden können. Sie verbindet Schreiben mit Spiritualität, Reflexion mit Beziehung, und eröffnet gerade in der religiösen Bildung einen besonders sensiblen und ausdrucksstarken Zugang zur eigenen Innenwelt. Für Lehrkräfte in Ausbildung ist sie ein vielfältig einsetzbares Instrument, das sich sowohl in stillen als auch in intensiven Phasen des Unterrichts bewährt.


